Wie aus einer Gruppe von Menschen ein Team wird

Der Volljurist und ehemalige Hockey-Nationaltrainer der Herrenmannschaft Stefan Kermas vereint in seinem Werdegang zwei Welten: den Leistungssport und eine Karriere in der Wirtschaft. Seit 20 Jahren begleitet er – unter anderem als ORVIETO ACADEMY Experte – Gruppen auf dem Weg zum Team und Organisationen sowie Einzelpersonen in ihren Veränderungsprozessen. 

Seine Liebe zur Arbeit im Team und das gemeinsame Erreichen von Zielen, hat ihn dabei stets angespornt. Auch bei seinen bisher größten Erfolgen war das ausschlaggebend: Als Hockey-Trainer gewann er mehrere Deutsche Meisterschaften und zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 2008 sowie 2012. 

Mit seiner langjährigen Erfahrung hat sich Stefan als Experte für Führungskompetenz und erfolgreiches Teambuilding etabliert. Wir haben ihn zu Teamstrukturen und deren Besonderheiten befragt. Was für eine gesunde Teamdynamik wichtig ist und warum streiten durchaus zum Erfolg gehört – darüber und mehr spricht er im Interview.

 

Stefan, wie kam es dazu, dass du dich dem Thema Team widmest?

Stefan Kermas: Jedenfalls nicht durch meine langjährige juristische Ausbildung. (lacht) 

Der Teamsport – genauer gesagt das Feldhockey – hat mich über viele Jahre stark geprägt. Erst die klassische Spielerkarriere vom Kleinkind bis in die Bundesliga und parallel dazu eine intensive Zeit als Trainer: Anfangs von Jugendmannschaften, später dann auch von Bundesliga-Teams und der Herren-Nationalmannschaft. 

Teamdynamische Prozesse und die Frage, warum es die eine Gruppe schafft, mehr aus ihren Möglichkeiten zu machen als die andere, haben mich schon immer interessiert und begeistert. 

 

Wie wird aus einer Gruppe von Menschen ein Team?

Die Antwort darauf ist leider nicht trivial, aber es zeigen sich wiederholt ähnliche Erfolgsfaktoren, die mehr oder weniger stark zu berücksichtigen sind. Jedes Team braucht ein gemeinsames Anliegen – also ein Ziel, das die Beteiligten an einem Strang ziehen lässt. Andernfalls wird es fahrig und individuelle Zielkonflikte erschweren die Teamarbeit. Funktionale sowie soziale Rollen gepaart mit Verantwortungen helfen zudem dabei, Arbeitsteilung zu erlangen und Personen samt ihrer Stärken passend einzusetzen. Außerdem muss die Frage der Kollaboration geklärt werden: Wer macht eigentlich was? Wie sind die Schnittstellen und Übergaben organisiert? Und zu guter Letzt braucht jedes Team eine echte Streitkultur. 

 

Warum ist eine Streitkultur für ein Team so wichtig? 

Weil Konflikte und daraus resultierende Streite völlig normal und menschlich sind. „In der Unterschiedlichkeit liegt die Regel, in der Harmonie die Ausnahme“, habe ich mal so schön bei dem Autoren Reinhard Sprenger gelesen. Das sollten wir verstehen und verinnerlichen. 

Wenn also Konflikte – ihrerseits die Grundlage für Weiterentwicklung und Innovationen – völlig normal sind, muss jedes Team den Umgang mit Meinungsverschiedenheiten kultivieren. Leitfragen wie „Wie gehen wir mit verschiedenen Meinungen um und wie lösen wir Situationen, in denen es mal kracht?” sind nur die Spitze einer anspruchsvollen Reise, die jedes Team gehen muss, um wirklich erfolgreich zusammenarbeiten zu können. 

Hier helfen Feedback-Formate, Kommunikations-Skills, aber auch das schlichte Verständnis für die Persönlichkeitsstruktur der Kolleg:innen. Ein echtes Team muss sich zoffen können –  ohne, dass es die Teamstruktur und -dynamik negativ beeinflusst.

 

Wie gelingt es, Einzelkämpfer:innen ins Team zu integrieren?

Zunächst einmal sollte man akzeptieren, dass nicht alle Mitarbeitenden gleichermaßen teamorientiert sind. Jede:r hat andere Antriebe, Teil einer Gruppe zu sein. Diese Motive zu verstehen, ist ein guter und hilfreicher Schritt für das gesamte Team. Natürlich muss jedes Teammitglied ein Mindestmaß an „Wir-Orientierung“ mitbringen. 

Die Kunst liegt meiner Einschätzung nach darin, auch Teammitglieder mit egoistischen Zügen zu akzeptieren und sie stärkenorientiert einzusetzen. Dafür brauchen sie gegebenenfalls ein Arbeitsumfeld mit weniger Schnittstellen als andere oder Tätigkeiten, bei denen eine starke Ich-Perspektive sogar förderlich sein kann. Führungskräfte müssen nicht alle Mitarbeitenden gleich behandeln und von ihnen das gleiche fordern. Vielmehr sollten sie dafür sorgen, dass alle in die gleiche Richtung laufen.  

 

Was sind deine Erfahrungen aus deinen Projekten: Wo hakt es oft in Organisationen? 

Jedes Problem in Teams und Organisationen ist individuell. Allzu oft tappen Berater:innen in die „Best Practice-Falle“ und glauben, Phänomene zu erkennen, die sie so anderswo bereits erlebt haben. Dabei sind Kontext und Ursachen womöglich völlig verschieden. Unter dieser Prämisse eingeordnet, treten dennoch vermehrt zwei Faktoren auf. 

Zum einen sind Erwartungen und Verantwortungsbereiche häufig nicht ausreichend klar definiert. Was darf ich? Was soll ich? Wo liegen die Grenzen meines Handelns? Dies sind Fragen, auf die Mitarbeitende häufig stoßen, wenn Führungskräfte versäumen, klare Absprachen über Wirkungsbereiche zu treffen. Selbstorganisation wird zwar modern gedacht und vielerorts sogar gefordert. Doch wenn nicht klar ist, wo diese beginnt und endet, helfen solch schön klingende Arbeitsweisen nichts. 

Zum anderen findet häufig ein Kampf mit der Organisationsstruktur statt. Mitarbeitende würden gerne wirken, Entscheidungen treffen, Probleme lösen. Doch Strukturen, Prozesse und Praktiken halten sie davon ab. Zu wollen, aber nicht zu können, ist auf Dauer frustrierend.

 

Welche Teamstruktur würdest du gerne ganz aus dem Weg räumen? 

Da gibt es keine klare Antwort. Strukturen sollten zur Wertschöpfung passen. Die Form der Zusammenarbeit sollte auf den Bereich, in dem Teams etwas kreieren und erreichen wollen, abgestimmt sein. Ein starkes Team hinterfragt sich regelmäßig selbst und optimiert die Bereiche rund um Schnittstellen und Kommunikation, um in Zukunft noch besser aufeinander abgestimmt zu sein. 

Letztlich entscheidet jede:r Arbeitnehmer:in selbst, in welchen Strukturen er oder sie arbeiten möchte. Wer auf Command & Control steht wird in deutschen Unternehmen genauso fündig wie Anhänger einer völlig freien und selbstorganisierten Arbeitsstruktur. Ich habe mir abgewöhnt von gut oder schlecht zu sprechen. Ich frage mich eher, ob Strukturen wirksam und zukunftsgewandt sind und ob Unternehmen damit auch zukünftig erfolgreich sein können. 

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